1.Frage: Hochwasser

Frage Nr. 1
Stimmt es, dass der 3,63 Hektar große Wiesengrund, der für das Frachtzentrum der Maier Holding GmbH versiegelt würde, in einem „faktischen Überschwemmungsgebiet“ liegt?

 

Antworten aus dem Gemeinderat Piding:

  • Drei Mitglieder des Gemeinderates geben auf diese Frage keine Antwort.
  • Alle anderen antworten mit „Ja“.
  • Kein einziges Mitglied des Gemeinderats antwortet mit „Nein“.

Die Antworten der Gemeinderätinnen und Gemeinderäte stimmen demnach einhellig darin überein: Bei der Wiesenfläche, die für den Bau des Frachtzentrums oder eines Gewerbegebietes versiegelt würde, handelt es sich tatsächlich um ein „faktisches Überschwemmungsgebiet“.

Nachfrage:

Das Wasserwirtschaftsamt bestätigt uns dies auf Nachfrage. Das Urwieser Wiesengebiet, das für das Frachtzentrum versiegelt würde, gehört zum faktischen Überschwemmungsgebiet der Stoißer Ache und der Bäche, die vom Staufen einerseits, vom Högl andererseits in das Stoißerachental laufen. „Faktisch“ bedeutet, es ist nicht nur theoretisch ein HQ100- Überschwemmungsgebiet, das statistisch alle hundert Jahre einmal überschwemmt wird, sondern es war in den letzten beiden Jahrzehnten bereits mehrere Male überflutet. Folgendes Foto zeigt bsp. die Überschwemmung des kompletten Wiesenareals zwischen Autobahnbrücke und B20 im August 2020.

 

Die Hauptursache für die immer öfter auftretenden Hochwasser in den letzten Jahrzehnten sind extreme Starkregenereignisse, die aufgrund der Klimaerwärmung am Alpenrand vermehrt und intensiver stattfinden. Die Tendenz zu trockeneren Sommern bedeutet keine Entspannung bei sommerlichen Starkniederschlägen. Im Gegenteil: die Niederschläge konzentrieren sich auf wenige Tage und weisen dafür immer höhere Intensitäten und Niederschlagsmengen auf (genauere Information darüber kann man im Klimareport-Bayern 2021 des Bayerischen Staatministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz nachlesen). Infolge des Klimawandels gilt: Die Gefährdungslage durch Hochwasser infolge von Starkregen wird gerade am Alpenrand extrem steigen, da intensive Starkregenereignisse häufiger werden und zu Sturzfluten und gefährlichen Erosionen führen können. An Fließgewässern muss bei einer Zunahme von Intensität und Häufigkeit großräumiger, mehrtägiger Regenereignisse zudem mit einer erhöhten Hochwassergefährdung gerechnet werden. Urwies ist durch seine Lage zwischen Staufengebirge und Högl, von denen das Oberflächenwasser über viele Bäche ins Tal und die Stoißer Ache flutet, extrem gefährdet, zumal der teils lehmige Untergrund und Barrieren wie die Autobahn ein schnelles Versickern und Abfließen der Wasser erschweren.

Das folgende Bild zeigt die Hochwasserlage im August 2020 am Ortsrand von Urwies, wo Hochwasser schon Gärten überflutete und in Keller einlief. Das Rückhaltebecken an der Rückseite der Firma Stahlbau Bender war binnen kürzester Zeit durch die Wassermassen des Leitenbachs überflutet und konnte nicht verhindern, dass die Flutwasser von Leitenbach, Zenzenbach und Wiesbach die Zufahrt zur Autobahnbrücke, sowie das Wiesenareal zwischen Urwies und B20 über Tage nahezu total überschwemmten.

Was wäre geschehen, wären die extrem speicherfähigen Wiesenflächen versiegelt und überbaut gewesen? Ein Rückstau der Bäche in die Siedlungen am Ortsrand von Urwies, eine noch stärkere Überflutung der umliegenden Bauernwiesen, Hochwasser der Stoißer Ache bis nach Piding hinein, Ernteausfälle, teurer Abtransport nicht mehr nutzbaren Mähgutes, Schäden an Häusern, Brücken und Straßen und Einträge von Schadstoffen in das Grundwasser wären mögliche unmittelbare Folgen gewesen.

Folgerungen:

Was bedeutet das für ein Bauvorhaben auf den Hochwasserschutzwiesen?

Bauen im Überschwemmungsgebiet ist laut Wasserhaushaltsgesetz (WHG) (§§77,78 u.ö.) aus diesen Gründen begreiflicherweise prinzipiell untersagt – Ausnahmen sind an extrem hohe Hürden gebunden. Wer will, kann die Bestimmungen dazu hier (https://dejure.org/gesetze/WHG/78.html) nachlesen. Selbst im vorhabenbezogenen Bebauungsplan steht dazu: “Zu berücksichtigen ist, dass der Hochwasserabfluss und die Höhe des Wasserstandes nicht nachteilig beeinflusst werden dürfen, der Retentionsraum nicht beeinträchtigt wird und ein eventueller Retentionsraumverlust funktions- und zeitgleich auszugleichen ist. Durch die Planung dürfen sich keine nachteiligen Veränderungen für Dritte ergeben.“ Wie aber soll das gehen?

Hochwasser bedeutet schon jetzt ein großes Risiko für die Ortschaften Piding Urwies und Jechling, wo bereits bei den letzten Hochwassern Brücken überflutet wurden und das Wasser in Ställe, Gärten und Keller lief. In den kommenden Jahrzehnten werden solche Starkregenereignisse um ein Vielfaches zunehmen. Sollte man also, wie geplant, mitten in diesem Überschwemmungsgebiet eine Fläche von zehn Fußballfeldern versiegeln und überbauen, kann das nicht gehen, ohne bei den erwartbaren Starkniederschlägen die Höhe des Wasserstandes nachteilig zu beeinflussen und die umliegenden Bauern und Anlieger zu schädigen, denen es das Wasser, das nun nicht mehr versickern oder ablaufen kann, auf die Felder und in die Grundstücke drückt. Diese enorm speicherfähigen Hochwasserschutz-Wiesen sind ja die Versicherung für Urwies und Piding, indem sie das Niederschlagswasser sowie die ablaufenden Wasser der beidseitigen Gebirge wie ein Schwamm aufsaugen und nur langsam in die Stoißer Ache weiterleiten. Auch schädliche Auswirkungen auf Grundwasser und Trinkwasser im Wasserschutzgebiet Unterberg müssen durch verschmutzte Wasser befürchtet werden. Durch den Wegfall des organischen Bodens entfällt die reinigende Filterwirkung des über Jahrhunderte gewachsenen Bodens mit seinen Milliarden Mikroorganismen. Kein Überlaufbecken oder Rigolensystem kann diese für die Sauberkeit des Grund-und Trinkwassers unverzichtbare Filterfunktion des Erdreichs ersetzen.

Ein weiteres ungelöstes Problem sind die Ausgleichsflächen, die für eine Bebauung im Überschwemmungsgebiet ortsnah, funktionsgleich und zeitgleich ausgewiesen werden müssten. Diese Flächen gibt es im fraglichen Urwieser Wiesengebiet nicht. Hier steht zu befürchten, dass noch mehr landwirtschaftliche Fläche durch kostspielige und wenig effektive Überflutungsbecken vernichtet werden soll. Auch bliebe das Problem des Verlustes von Retentionsraum dadurch ungelöst. Und schließlich würde der Rückstau von Zenzenbach und Leitenbach dadurch nicht verhindert, sondern noch mehr den Anliegern aufgebürdet.

Ein Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes kann bezüglich dieser Planungen wohl nur entschiedene Vorbehalte äußern und auf die Gefahren hinweisen, – eine Bebauung a priori zu verbieten steht nicht in seiner Macht und muss wohl auf juristischem Weg erlangt werden. Wir als Bürgerinnen und Bürger können allerdings immer wieder darauf schauen und öffentlich dafür eintreten, dass in diesem hochsensiblen Hochwassergefährdungsgebiet der Stoißer Ache die Ausweisung der Hochwasserschutzwiesen als Gewerbegebiet nicht stattfindet – für welchen Bauherren auch immer. Wenn die diesbezüglichen Auflagen entsprechend dem Wasserhaushaltsgesetz und den Hochwasserschutzstrategien der bayerischen Staatsregierung (PRO 30) alle eingehalten würden, wäre ein solches Unterfangen ohnehin nicht mehr rentabel und mit unwirtschaftlich hohen Ausgaben auch für die Gemeinde Piding verbunden.

Den Anliegern ist dennoch dringendst zu raten, sich über Elementarschadens-versicherungen zeitnah beraten zu lassen.

Quellen:
– Bayerisches Staatministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Klima-Report Bayern 2021 – Klimawandel, Auswirkungen, Anpassungs- und Forschungsaktivitäten, 2021
– Bayerisches Staatministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Klima-Report Bayern 2015 – Klimawandel, Auswirkungen, Anpassungs- und Forschungsaktivitäten, 2015
– Bayerische Staatsregierung, Voraus denken – elementar versichern https://www.elementar-versichern.de/, 2009
– Bayerische Hochwasserschutzstrategien (AP 2020plus und PRO 30), https://www.lfu.bayern.de/wasser/hw_strategie/index.htm, 2021
– Czychowski, M., Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, 11. Auflage, München 2014
– GDV, Land unter – Schutz vor Überschwemmung und Hochwasser, Berlin, 2007
– Patt, H./Jüpner R., Hochwasser-Handbuch – Auswirkungen und Schutz, Wiesbaden 2020
– KLIWA, Langzeitverhalten der Starkniederschläge in Baden-Württemberg und Bayern, www.kliwa.de, 2006
– Pfister A., Langjährige Entwicklung von Starkregen – Handlungsempfehlungen für die Zukunft, Essen 2016
– Wasserwirtschaftsamt Traunstein, https://www.wwa-ts.bayern.de/
– Wieser, M., Pidinger Heimatbuch, Berchtesgaden 1985