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Vom 10.2. bis 19.3.2021 lagen in der Gemeinde Piding zum ersten Mal die Vorentwürfe der 13. Änderung des Flächennutzungsplanes und der vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 48 „GE Urwies – Maier Früchtegroßhandel“ zur Ansicht aus.

Daraufhin ging eine außergewöhnlich hohe Zahl an Eingaben von Einzelpersonen und Naturschutzgruppen gegen diese Vorentwürfe ein, – eine Sammeleingabe sogar mit Unterschriften von über 200 Bürgerinnen und Bürgern.

Diese werden nun bearbeitet und werden in einer Gemeinderatssitzung behandelt und in die Planungen eingearbeitet, bevor dann – falls das Projekt aufgrund der zahlreichen Schwierigkeiten nicht ohnehin vom Tisch ist – eine weitere Auslegung erfolgt. Auch hierzu können dann wieder Eingaben geschrieben werden.

Zur Information veröffentlichen wir im Folgenden eine ausführliche Eingabe, in der einige, aber bei weitem nicht alle Probleme dieser Planungen zur Sprache kommen.

 

An die
Gemeinde Piding
Thomastraße 2
83451 Piding

 

E i n g a b e

zur „13. Änderung Flächennutzungsplan“

und

zum „Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 48“
Gewerbegebiet Urwies – Maier Früchtegroßhandel“

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte,

hiermit übergebe ich Ihnen meine Stellungnahme zu den beiden oben genannten Vorhaben.

Flächennutzungsplan und Bebauungsplan

Die „13. Änderung Flächennutzungsplan“ und der „Vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 48 – Vorentwurf“ leiden unter demselben Mangel: Beide Pläne entbehren noch aller zur Begründung und Bewertung des Bebauungsvorhabens der Firma Maier Holding GmbH und damit auch zur Begründung und Bewertung der Änderung des Flächennutzungsplanes notwendigen und relevanten Gutachten und Grundlagen. Weder ein hydrogeologisches noch ein geologisches noch ein Lärm-, noch ein Immissions-, noch ein Grundwasser- noch ein Verkehrs- noch ein bodenkundliches Gutachten liegen vor. „Die Ergebnisse des ausstehenden Gutachtens sind in die Planung einzuarbeiten“ ist der häufigste Satz in beiden Schriftstücken. Das ist nicht nur dürftig. Für eine Bauplanung, die sich selbst ein ums andere Mal das Prädikat „gering“ ausstellt, wenn es um die Auswirkungen z.B. auf die Schutzgüter „Oberflächenwasser“, „Grundwasser“, „Klima/Luft“ u.s.f. geht, ist das geradezu fahrlässig, da so immer wieder ein falsche Geringschätzung einer Gefahrenlage entsteht, die ja zuerst einmal untersucht werden muss. Als Beispiel hierfür zitiere ich die Argumentation des Vorhabenbezogenen BPlans in diesem Fall zum Thema „Lärm“: „Zur Beurteilung der detaillierten schalltechnischen Situation und möglicher Immissionskonflikte wird derzeit ein Gutachten erstellt um eine verträgliche Nutzung zu ermöglichen. Die Ergebnisse werden in den Bebauungsplan eingearbeitet. Die anlage- und betriebsbedingten Beeinträchtigungen werden deshalb nach derzeitiger Einschätzung als gering eingestuft.“ (BPlan S. 15-16 – Hervorhebung vom Verfasser). Die Beeiträchtigungen als „gering“ einzustufen, weil es dafür kein Gutachten gibt, klingt beruhigend, macht aber keinen Sinn.

Aufgrund dieses fundamentalen Mangels an Gutachten kann das vom Bauherren beauftragte Planungsbüro Strasser in diesem Bebauungsplan auch keinerlei belastbare Aussagen über die unterschiedlichen Bauverfahren machen, mit denen man beispielweise auf die immensen Risiken von Grund- und Trinkwassergefährdung, Oberflächenwasserveränderungen, erhöhte Starkniederschläge oder die immensen Immissionen durch Güterfrachtverkehr und die mit diesem zusammenhängende Lärm- und Verkehrsbelastung in dem dörflich strukturierten Umfeld von Urwies reagieren will. Nicht einmal die Frage, ob die 140 m langen Hallen unterkellert sind oder nicht, wird in diesem Bebauungsplan beantwortet. Genau auf diese Concreta kommt es aber an bei der Beurteilung der Frage, ob solch ein Bauvorhaben zu realisieren auch nur denkbar wäre.

Gültiges Ortsentwicklungkonzept vs. Expansionsverlangen

Beide Pläne verfolgen dasselbe Ziel: für die Firma Maier Holding GmbH ein Grundstück, und sei es im Überschwemmungsgebiet, zu finden, an dem sie um ein Vielfaches ihres jetzigen Umfangs expandieren kann. Abgesehen vom Wachstumswillen der Maier Holding ist das einzige Argument für die angebliche Erforderlichkeit einer Versiegelung und Überbauung der bislang an Bauern verpachteten Urwieser Futterwiesen, dass dies „der städtebaulichen Konzeption der Gemeinde Piding entspricht“ (S.1: Anlass und Erforderlichkeit). Bloß stimmt das nicht. Eine Konzeption, die solchen Flächenfraß im Überschwemmungsgebiet von Urwies vorsieht, gibt es nicht. Denn laut aktuell gültigem Flächennutzungsplan sind diese Wiesen als Produktionsflächen für die Erzeugung von Lebensmitteln vorgesehen. Und auch im gültigen Ortsentwicklungskonzept, das der Gemeinderat meines Wissens sorgfältig mit Fachplanern und unter Bürgerbeteiligung entwickelt und einstimmig beschlossen hat, ist vorgesehen, diese – aufgrund ihrer Resistenz gegen Austrocknung übrigens besonders wertvollen – Grünflächen landwirtschaftlich zu nutzen und eben nicht als Gewerbeflächen vorzusehen. D.h.: der gültigen städtebaulichen Konzeption der Gemeinde entspricht das Bauvorhaben der Maier Holding GmbH eben gerade nicht. Neue Gewerbegebiete sollen danach in Urwies eben nicht ausgewiesen werden. Als mögliche Standorte für zukünftige Gewerbegebiete sind im gültigen Ortsentwicklungskonzept dagegen andere Flächen konkret eingeplant worden, vermutlich, weil sie dafür geeignetere Bedingungen bieten. Warum der Firma Maier entgegen dem bestehenden Gemeinderatsbeschluss dieser regelmäßig überflutete Schutzwiesengrund in Urwies überhaupt vorgeschlagen werden konnte, bedarf der Erläuterung wie auch die Frage, warum die eigentlich für Gewerbeflächen vorgesehenen Grundstücke nicht in Frage kommen. Es mag dafür Gründe geben. In der vorgeschlagenen „13. Änderung Flächennutzungsplan“ steht dazu jedoch nichts. Der Versuch, den gültigen Flächennutzungsplan nun wieder zu ändern, stellt sich als gegenüber Hochwasserschutz, Verkehrsproblematik, Lebensqualität, Landwirtschaftsbetrieben, Dorfstruktur, Unternehmen und der Gesundheit der Anlieger an der St 2103 und der Natur in so gut wie allen Belangen höchst problematischer roter Teppich heraus, der der Maier Holding GmbH ausgerollt werden soll. Das ist keine städtebauliche Konzeption. Das wäre höchstens ein städtebaulicher Rückfall hinter die weitsichtige Entscheidung des Gemeinderates von 2013 für eine Ortsentwicklung, die das Gleichgewicht von Mensch und Wirtschaft und die gewachsene Landschaft in und um Piding achtet.

Da beide Pläne im Parallelverfahren auf Gedeih oder Verderb zusammenhängen, heißt das auch: Mit dem Recht auf Bebauung der bäuerlichen Hochwasserschutzwiesen fiele in der Konsequenz auch die Änderung des Flächennutzungsplanes dahin. Denn: wo eine Versiegelung der Grünflächen bsp. aus Gründen des Hochwasserschutzes oder der Verkehrsproblematik rechtlich oder finanziell nicht möglich ist, kann und darf eine Gemeinde natürlich auch nicht einen Flächennutzungsplan beschließen, der eben das – egal, für welchen Bauherren – vorsieht und mit so einer Entscheidung einzig die Grundstückspreise zum Schaden der Einheimischen in die Höhe treibt.

Mangelnde Infrastruktur: Verkehr, Wasser, Flächen, Folgekosten

Aber nicht nur die auf tönernen Füßen stehende Bebauung selber (s.u.), sondern vor allem auch der Betrieb eines Verladeunternehmens, das nach eigenen Angaben (!) täglich bis zu „250 Kühl-LKW abwickeln will, „deren Aggregate dauerhaft in Betrieb sind“ (BPlan, S. 2) und damit in dem eng strukturierten Umfeld zwischen Fuderheuberg, Stoißer Ache und Högl zu hohen Belastungen von Menschen und Natur in Sachen Lärm, Abgase, Schwermetalle, Lichtverschmutzung, Verkehr, Unfallgefahr, Hochwasser, Zerstörung des Ortsbildes, Trink- und Grundwassergefährdung usw. führen würde, erfordert allererst eine nachprüfbare und genaue Darstellung der in Frage stehenden Bauweisen, Materialien, Baupläne – und das alles auf Grundlage der ja allererst noch zu erbringenden Gutachten, die das ganzen Unternehmen möglicherweise ohnehin ohne Perspektive auf Realisierung erscheinen lassen. Anders ist eine sorgfältige Bewertung dieser Pläne nicht möglich. Denn nicht nur rechtliche Gründe stehen ihnen entgegen, sondern auch die immensen Folgekosten für den Bauherren und für die Gemeinde, die ja zur Ermöglichung eines solchen gigantischen Unternehmens für die nötige Infrastruktur (Wasser, Verkehr etc.) zu sorgen hätte, welche ja faktisch nicht gegeben ist. Große Ausgleichsflächen, die laut Wasserhaushaltsgesetz ortsnah und funktions- und zeitgleich im faktischen Überschwemmungsgebiet vorgesehen sind und für die vor Aufnahme der Bautätigkeiten gesorgt sein muss, gibt es in der klein strukturierten landwirtschaftlich genutzten Fläche in der Eng vor Piding ja nicht, – es sei denn, man wollte den landwirtschaftlichen Familienbetrieben vor Ort ihre Existenzgrundlage nehmen, was sich niemand ernsthaft auch nur vorstellen mag. Der Mangel an Fläche wird dadurch umso schwerwiegender, als für den notwendigen Ausbau der Verkehrswege für den Güterlastverkehr und die Anbindung an die B20, für Abbiegerspuren, Einschleifer, Fußgänger- und Radwege zum Schutz vor dem Schwerlastverkehr usw. noch mehr Grünfläche an diesem eng strukturierten Standort versiegelt werden müsste. Dass schon seit Jahren an diesen Fragen selbst ein kleiner Radlweg entlang der St 2103 und ein Ausbau der Kreuzung B20/St 2103 gescheitert ist, sei hier nur als Randnotiz erwähnt. Das Staatsministerium für Bau und Verkehr urteilte schon 2015 zu einer möglichen Entschärfung der Kreuzung B 20 / St 2103, „dass der bis zu diesem Zeitpunkt allseits präferierte Kreisverkehrsplatz an der Einmündung der St 2103 in die B 20 wegen mangelnder Leistungsfähigkeit leider nicht realisierungswürdig ist.“ (Ministerialrats Dr.-Ing. Lindner in der Antwort der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern für Bau und Verkehr auf die Anfrage von Herrn Walter Pfannerstill vom 10.09.2015 zur Regelung des Kreuzungsbereiches B 20/St 2103, Geh- und Radweg entlang der St 2103). Dass die umstrittene Ansiedlung eines Frachtzentrums der Fa. Maier in Urwies einen erheblichen Ausbau der Infrastruktur benötigen würde, liegt auf der Hand. Wie dieser aussieht, wer für ihn die Kosten trägt und welche Auswirkungen er hat, kann man erst beurteilen, wenn die Pläne dazu vorliegen.

Überlastung der St 2103 und des Kleinen deutschen Ecks durch Frachtverkehr

Die gegenüber der Ansiedelung eines Frachtzentrums in Urwies ablehnenden Reaktionen auch der Nachbargemeinden Aufham und Anger, die verständlicherweise einen Verkehrskollaps in den Orten an der St 2103 befürchten und den Frachtverkehr am liebsten nur in Richtung B 20 zulassen wollen, unterstreicht diese Besorgnis ebenso wie die Sorge um eine Zunahme des Frachtverkehrs eben gerade über die B 20 und B 21 andererseits und über die kleinen Ortschaften im Kleinen deutschen Eck und eine völlige Überlastung der Einmündung der St 2103 in die Bundesstraße, die bereits jetzt zu Stoßzeiten mit langen Wartezeiten für die Autofahrer verbunden ist. Stellvertretend sei Bürgermeisterin Wolfs Einschätzung zitiert, „ihrer Meinung nach biete die an das Gewerbegebiet anliegende Straße nicht genug Kapazität, den künftigen Lieferverkehr zu fassen. An dieser Stelle sei der falsche Standort für dieses Unternehmen.“ (2. Sitzung des Gemeinderates am 22.6.2020). Ein solch großes Verkehrsaufkommen wie für das Frachtzentrum von der Maier Holding GmbH selber (!) veranschlagt, lässt sich nicht über die St 2103 abwickeln, sondern geht verantwortlich nur über eine unmittelbare Anbindung an eine Bundesstraße und eine Weiterleitung über die Autobahn.

Hochwasserschutz / Grundwasserschutz vs. Versiegelung

Dass die Versiegelung und Überbauung von mindestens 3,63 Hektar Wiesengrund für die bäuerlichen Familienbetriebe am Ort unmittelbar existenzbedrohend ist (s.u.), steht diesem Bauvorhaben ebenso entgegen wie die Tatsache, dass dieses Schutzwiesengebiet mitten in einem faktischen Überschwemmungsgebiet liegt, das bei Starkregen die Wasser von mehreren Fließgewässern (Stoißer Ache, Leitenbach, Zenzenbach, Wiesbach) sowie die Wasser-Abflüsse vom Fuderheuberg und Staufengebirge aufsaugt wie ein Schwamm. Eine solch enorme Aufnahmekapazität kann durch kein Rigolensystem oder Oberflächenauffangbecken auch nur ansatzweise kompensiert werden, zumal dadurch die für die Sauberkeit des Grundwassers unverzichtbare Filterfunktion des Erdreichs nicht mehr vorhanden wäre, das durch bloße Kiesbecken ersetzt würde. Das Auffangbecken der benachbarten Firma „Stahlbau Bender“ war beim Starkregen im August 2020 binnen Stunden überflutet, setzte vom Ortsrand Urwies bis zur B 20 das gesamte Areal über Tage hinweg unter Wasser, lief in Gärten und Keller der Urwieser Häuser ein und überflutete die Straße zur Autobahnbrücke, die deswegen nicht mehr passierbar war. Auch die Planung einer Schleuse, die einige hundert Meter oberhalb des Baugrundstückes schon Wasser aus der Stoißer Ache auf die Felder fluten sollte, wurde 2007 aufgegeben. Statt auf diese immer dringlicher werdende Überflutungslage einzugehen, teilt der Bebauungsplan wiederholt mit, dass „das Planungsgebiet nicht durch Hochwasserereignisse der Saalach gefährdet ist“, wo doch klar ist, dass die regelmäßigen Hochwasser von den Abläufen von Staufengebirge und Högl herrühren, von der Stoißer Ache und allen ihr zulaufenden Bächen. Bereits nach dem Hochwasser im Jahre 2006 plante die Gemeinde Piding deshalb den Bau dreier Auffangbecken in unmittelbarer Nachbarschaft des fraglichen Baugrundstückes der Maier Holding GmbH, um weitere katastrophale Überschwemmungssituationen abzufangen. Dass diese Auffangbecken nicht realisiert wurden ist eine Sache. Dass mit einer Änderung des Flächennutzungsplanes aber nun die Überbauung von 4,4 Hektar Hochwasserschutzwiesen verbunden wäre und die Orte Urwies, Jechling und Piding sowie die Mahd- und Weidewiesen der benachbarten Bauern verstärkt den Überflutungen durch Zenzenbach, Stoißer Ache, Leitenbach und Wiesbach aussetzen würde statt sie davor zu schützen, erscheint angesichts der mit der Klimaveränderung zunehmenden Starkniederschläge als höchst gefährlich und nicht hinnehmbar. Laut Wasserhaushaltsgesetz § 78 u.ö. ist eine Bebauung im Überschwemmungsgebiet aus diesen naheliegenden Gründen an extremst hohe Hürden gebunden, die meines Erachtens fast allesamt für dieses Bauvorhaben der Maier Holding GmbH nicht zu überwinden sind, zumal die Starkregenfälle am Alpenrand schon in den letzten Jahren erheblich angestiegen sind und laut Prognosen staatlicher Institute bis zum Faktor 5 in den nächsten Jahrzehnten zunehmen werden (vgl. die Klimareporte des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz von 2015 und 2021. Dem dort geschnürten Maßnahmenpaket vom Schutz gerade auch der Oberflächengewässer 3. Ordnung, über die Verminderung der Versiegelung von CO2-speichernden Grünflächen bis zur Reduktion der Verkehrsaufkommen widerspricht der Pidinger Änderungsvorschlag für den Flächennutzungsplan in allen Teilen). Eine Versiegelung der enorm speicherfähigen Wiesen (bis zu 400 Liter/m2) vor Urwies, die in unseren mittlerweile sehr trockenen Klimaperioden aufgrund ihres Wassergehalts noch dazu äußerst ertragreiche und nachhaltige Wirtschaftsflächen darstellen, wäre in Zeiten der Klimaveränderung nicht nur ein ökologisches und städteplanerisches Fiasko, sondern auch wirtschaftlich sehr fragwürdig (s.u.).

Lückenhafte Bebauungsplanung vs. Bürgerbeteiligung

Der gegenwärtig ausliegende vorhabenbezogene Bebauungsplan entbehrt aber nicht nur aller wesentlichen Gutachten, er stellt darüber hinaus nicht einmal die eigenen architektonischen Koordinaten des Bauherren klar. Während er sich sehr detailliert über Dachbegrünung, Werbeaufschrift oder Baumpflanzung auslässt, macht er zum Beispiel nicht einmal verbindliche Aussagen darüber, ob die 140 Meter langen Hallen mit oder ohne Unterkellerung gebaut werden sollen, keine verbindlichen Aussagen darüber, wie auf der schon jetzt in Stoßzeiten stark belasteten Staatsstraße 1203 eine beidseitige Ein- und Ausfahrt von Sattelschleppern raumplanerisch umgesetzt werden soll, keine verbindlichen Aussagen über ein Konzept zur äußerst problematischen und kostenintensiven Oberflächenwasserbeseitigung, keine verbindlichen Aussagen darüber, mit welchen Baumaßnahmen genau das Wassergleichgewicht in dem höchst sensiblen Umfeld der Stoißer Ache in der Eng zwischen Högl und Staufen, das in den letzten Jahren regelmäßig von Überschwemmungen heimgesucht worden ist, gewahrt werden soll, und wie das alles geschehen soll, ohne dass die Anlieger zu Schaden kommen. In diesen und vielen anderen Fragen, bleiben beide Pläne unkonkret und unverbindlich.

Bei einem Bauvorhaben dieses Ausmaßes, bei dem ja so gut wie alle wesentlichen Auswirkungen auf Mensch und Natur in hohem Maße bedenklich erscheinen, braucht es aber nicht weniger, sondern umso genauere Information und frühzeitigen Einbezug der Bürgerinnen und Bürger. Etwaige Probleme nicht zu erwähnen, weil es nur unbefriedigende Lösungen dafür gibt oder nur solche, die mit hohen Kosten oder Zeitaufwand verbunden sind, die weder das Unternehmen noch die Gemeinde tragen können oder wollen, bringt nichts. Hier müssen die erheblichen Konsequenzen eines solchen Bauvorhabens und vor allem auch des Betriebes eines solchen Frachtzentrums beim Namen genannt und darüber informiert werden. Die Fa. Maier Holding GmbH hat 2008 das Grüngelände an der Lattenbergstraße für ihren derzeitigen Frachtbetrieb versiegeln und bebauen lassen, was schon nach wenigen Betriebsjahren zu den bekannten Verkehrsproblemen im Ortsinnenbereich führte. Auch jetzt zeichnen sich mit der hochproblematischen Verkehrssituation schon wieder solche Überlastungs-Szenarien ab. Aus Fehlern sollte man klug werden und von Anfang an genauestens auf die Gutachten sehen und klare, nachprüfbare, wissenschaftlich und juristisch behaftbare Kriterien setzen, nach denen die unterschiedlichen Bauweisen und Auflagen einzuhalten sind. Auch eine öffentliche Informations-Veranstaltung, in der der Unternehmer Maier selber zu den unternehmerischen Belangen dieses Bauvorhabens, zur Struktur seines Betriebes und eventuell auch zu möglichen Alternativen zu einer Betriebserweiterung in Urwies befragt werden kann, wäre angesichts des großen Informationsbedarfs im Sinne der Transparenz dringend erforderlich und in Coronazeiten auch digital machbar. Es trüge zu mehr Vertrauen bei, egal welchen Ausgang der Prozess einer Entscheidungsfindung letztlich nähme. Denn eines ist klar: Die Versiegelung und Überbauung und damit der unwiderrufliche Verlust von mindestens 3,63 Hektar CO2 speicherndem Wiesengrund, der gleichzeitig die Funktion eines Hochwasserschutzes und Grundwasserfilters für Piding und die Dörfer entlang der Stoißer Ache übernimmt, der Erzeugung von Lebensmitteln dient und zum einzigartigen Ortsbild des Luftkurorts Piding beiträgt, betrifft viele Menschen, die hier wohnen.

Auswirkung auf Landwirtschaft, Tourismus und Unternehmen an der St 2103

Dabei handelt es sich nicht um Marginalia, sondern um auch betrieblich existentielle Fragen nicht nur für die Anwohner in Urwies und Jechling, deren Keller bei den Hochwassern im August 2020 bereits unter Wasser standen, nicht nur für die Anwohner in Piding und Mauthausen, die vom Hochwasser der Stoißer Ache und dem erhöhten Schwerlastverkehr mit noch höheren Immissionen und Lärm heimgesucht würden, nicht nur für die Betreiber von Ferienwohnungen, Tankstellen, Gastwirtschaften und Betrieben am Ort. Denn wer will schon Urlaub in einer Ferienwohnung machen, die 24 Stunden am Tag den Lärm und die Abgase tausender Kühllastschlepper vorm Fenster hat? Wer soll in einer Ferienwohnung wohnen, in der man das Fenster nicht öffnen kann, weil untertags bis spät die LKWs rangieren und nachts die Aggregate lärmen? Wer fährt zum Tanken zu einer Tankstelle, wenn er auf der Straße dorthin auf Hin- und Rückweg im Stau steht? Um existentielle Fragen handelt es sich vor allem auch für die direkt anliegenden Bauern. Für die würde eine noch stärkere Beeinträchtigung ihrer Felder durch zusätzliche Überschwemmungen die Viehhaltung gefährden und damit ihr Überleben als Bauern überhaupt.

Denn die Versiegelung und Überbauung eines so großen Wiesengrundes im regelmäßig überfluteten faktischen Überschwemmungsgebiet lässt natürlich starke Veränderungen des Grundwassers und der Abläufe des Oberflächenwassers (s.o.) erwarten. Stehen die Weide- und Mahdgründe noch länger und noch mehr unter Wasser, fehlt natürlich das Futter für das Vieh. Außerdem fallen womöglich gepachtete Futterwiesen weg, auf die die Landwirte angewiesen sind. Dass einige von diesen Bauern ein zweites Standbein in der Vermietung von Ferienwohnungen bzw. Gastronomie – im Abstand von wenigen Metern vom geplanten Frachtzentrum – gefunden haben, vermehrt deren Bedrängnis noch. Wer will in einem Hofcafé auf der Sonnenterrasse sitzen, wenn man sich nicht mehr unterhalten kann? Durch die Pflanzung von dünnen Bäumchen auf 5 Meter breiten Grünstreifen lassen sich diese baulichen und betriebsbedingten Verheerungen nicht beheben.

Gewerbesteuer

Das Trauma des Weggangs der Firma EurimPharm aus Piding sitzt tief, höre ich immer wieder. Es ist einerseits verständlich, dass niemand schuld sein will, wenn eine expandierende Firma woanders hinzieht. Aber Schuld ist hier wohl die falsche Kategorie. Denn natürlich braucht eine Gemeinde ihr Gewerbe und tut vieles für ihre Betriebe und die Menschen, die in ihnen arbeiten. Sie versucht zu ermöglichen, dass ortsansässige und auch auswärtige Firmen in Piding ansässig bleiben oder werden und sich entwickeln können. Aber es gibt natürliche Grenzen, die niemand aus der Welt schaffen kann. Denn letztlich muss eine Gemeinde natürlich auch darauf achten, welche Größenordnungen für Menschen, Umwelt, Tourismus und Verkehr verträglich sind und welche nicht. Das macht eine Firma ja auch, die ihren Ort wechselt, wenn ihre Strategie sich ändert oder die Expansion wichtiger wird als die Ortstreue. Nach welchen Kriterien außer den schon genannten hierbei entschieden werden kann, hat die FWG Piding in ihren Eckpunkten beispielhaft umrissen: „Innenverdichtung hat Vorrang vor Ausweisung in Außenbereichen, Bewerber für Ansiedlungen müssen konsequent nach Wertschöpfungskriterien wie der Anzahl an qualifizierten Arbeitsplätzen, Ausbildungsplätzen, möglichst wenig Immissionen oder zu zahlender Gewerbesteuer vor Ort bewertet und ausgewählt werden.“ (https://www.fw-bgl.de/archiv-piding.html?start=5 18.3.2021)

Nach diesen Vorgaben steht das Bauvorhaben der Maier Holding GmbH und demzufolge auch die Änderung des Flächennutzungsplanes natürlich von Grund auf in Frage. Ich kann mir mit diesen Eckpunkten auch nicht vorstellen, dass unsere Gemeinde davon einen Gewinn hat, am Ende nicht einmal einen wirtschaftlichen (s.u.). Denn die erwartbaren Folgen: die Erhöhung der Hochwasserproblematik, die Verstopfung der St 2103, die Beeinträchtigung der Gesundheit der Bürger durch Lärm, Abgase und Stickoxide, die Versiegelung von extrem gut zu bewirtschaftenden Feuchtwiesen, die Vernichtung der letzten Bauernhöfe mit Viehhaltung in Piding, die Vermehrung des innerörtlichen Verkehrs in Urwies, Aufham und Anger, die abträglichen Auswirkungen für den Tourismus im Luftkurort Piding, die Schädigung des Grund- und Trinkwassers, die Steigerung der Grundstückspreise, die Erhöhung des überregionalen Güterverkehrs über das kleine deutsche Eck, die Verschandelung der Ortsbildes, die gravierenden Auswirkungen auf das Gleichgewicht von Mensch und Natur im sensiblen Bereich der Stoißer Ache u.v.m. wiegen das Expansionsverlangen eines einzelnen Betriebes, der womöglich nur wenige heimische Arbeitsplätze und keine Ausbildungsplätze vor Ort schafft, nicht auf.

Es ist ja kein Naturgesetz, dass ein international agierender Import-Export-Betrieb, der expandieren will, dafür am derzeitigen Ort seiner Niederlassung immer auch den Raum findet, den er zu benötigen meint. Es ehrt die Gemeinde Piding, dass sie versucht, diesen Betrieb am Ort zu halten und – wenigstens langfristig – Gewerbesteuer zu generieren, in dem sie ihm eine flächenmäßig derart große Ausweitung ermöglichen will. Es gibt Landschaften und Örtlichkeiten, in denen das in diesem Größenumfang und mit diesem Verkehrsaufkommen möglich ist. Piding ist das wohl nicht, jedenfalls nicht mit den gegenwärtig ausliegenden Koordinaten des Vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 48.

Die landschaftliche Enge Pidings zwischen Grenze, Fluss und Berg, die noch dazu durch die Autobahn zerschnitten ist, ist für solch große Betriebsflächen ein Nachteil. Speditionsfirmen mit naturgemäß hohem Flächen- und Verkehrsaufwand stoßen hier an ihre natürlichen Grenzen. Ein großer Betrieb wie die Milchwerke ist vermutlich genug, vor allem, wenn man gleichzeitig dafür sorgt, dass die hiesigen Landwirte der Molkerei als Lieferanten erhalten bleiben.

Wohlgemerkt: die Gemeinde Piding erhält meines Wissens 85% ihres Einkommens aus der Einkommenssteuer und nur 15% aus Gewerbesteuer. Das relativiert das oft zu hörende Argument, dass die Gemeinde auf die Gewerbesteuern der Maier Holding angewiesen ist – zumal sie hier in den nächsten Jahren vermutlich ohnehin keine Gewerbesteuer erhalten würde, weil ein Unternehmen bei der Errichtung neuer Gewerbeflächen die finanziellen Aufwendungen steuerlich geltend machen kann. Natürlich brauchen wir Gewerbe. Im Sinne der gültigen und sorgfältig entwickelten Ortsentwicklungsplanung ist das die Herausforderung, die Ansiedlung und Entwicklung von Betrieben zu fördern, die die obigen Aspekte: Qualifizierte Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze, möglichst wenige Immissionen und Erträge durch Gewerbesteuer orts- und naturverträglich zu gestalten. Auch der Tourismus als immer wichtiger werdender Wirtschaftsfaktor wird dabei eine Rolle spielen.

Tourismus, Ortsbild, Identität vs. Ortsverschandelung und Geschichtsverlust

Für den Luftkurort Piding, der gerade durch seine gute Anbindung im „Freiendreieck Salzburg, Reichenhall, Berchtesgaden“ eine hervorragende Lage für Tourismus und Naherholung hat, wäre ein Frachtzentrum in der Urwieser Schutzwiesenlandschaft vor dem Schloss Staufeneck natürlich eine erhebliche und unwiderrufliche Schädigung. (vgl. „Katastrophe für Natur, Dorf und Tourismus“, Leserbrief im Reichenhaller Tagblatt vom 23.2.2021). Nicht nur der belastende Verkehr mit Abgasen, Lärm und verstopften Straßen, der alle diesseitigen Wanderwege (Steiner-Alm-Runde, Kulturhistorischer Wanderpfad, Pidinger Klettersteig u.a.) beträfe, hätte hier verheerende Auswirkungen. Auch das Aushängeschild Pidings, mit dem alle Websites, Anbieter von Ferienwohnungen, Postkarten und auch die Gemeinde Piding für den Ort werben, wäre betroffen – sommers wie winters, wenn auf den Wiesen der Bauern die Langläufer ihre Runden fahren und die Familien rauslaufen zum Schlittenberg. Das Baudenkmal Schloss Staufeneck wirkt durch seine einmalige Lage über der Hangleiten und den gerade unverbauten grünen oder weißen Wiesen zu allen Jahreszeiten so einmalig und prägend für das Auge. Beide, der Blick hinauf zum Schloss wie umgekehrt, der Blick vom Schloss hinunter auf das Wiesengebiet zwischen Urwies und Mauthausen wäre durch die versiegelte Betonlandschaft und hundertvierzig Meter lange Frachthallen mit sich stauenden Sattelschleppern unmittelbar unterhalb des Schlosses irreparabel zerstört. Die Einschätzung des Vorhabenbezogenen Bebauungsplans, dass „wesentliche Beeinträchtigungen des landschaftsprägenden Denkmals aufgrund der erhöhten Lage des Schlosses an der Ostflanke des Vorderstaufens nicht erwartet“ werden (S.35), halte ich nicht nur aus oben genannten Gründen für falsch. Wer Max Wiesers Buch „Schloss Staufeneck“ gelesen hat, weiß, dass es hier nicht nur um schöne Postkartenbilder geht, sondern um Identität. Was solch ein Bauvorhaben unmittelbar für den Urlaubertourismus und die Naherholung anrichten würde, habe ich oben beschrieben. Hier aber geht es auch um einen massiven Eingriff in Geschichte, Brauchtum und Ortsidentität. „Mehr als tausend Jahre prägten die Bauernhöfe, Sakralbauten, Flurdenkmäler, Flüsse, Wälder und Wirtschaftsflächen unverwechselbar das Landschaftsbild unserer Heimat“ lautet der erste Satz in Max Wiesers „Pidinger Heimatbuch“, in dem er sein Anliegen, die Herkunft, die Geschichte der Höfe und der mit ihnen verbundenen Trachten und Gebräuche zu erinnern, verknüpft mit einer verantwortungsvollen Gestaltung des wirtschaftlichen Lebens und der Ortsentwicklung mit den Herausforderungen unserer heutigen Zeit. Dass es dabei aber nicht darum gehen kann, brachial Landschaft zu versiegeln, Menschen Lärm und Abgasen auszusetzen und das Überleben der Bauernhöfe zu opfern, macht Max Wieser, der ein pragmatischer Realpolitiker war, unmissverständlich klar: „Mancher wird die Heimat, ihre Menschen und ihr Brauchtum mit anderen Augen ansehen als bisher und begreifen, dass man mit der Landschaft und den Kulturdenkmälern künftig behutsamer umgehen muss“. (Max Wieser, Pidinger Heimatbuch, Seite IX).

Ich bitte daher die gewählten Entscheidungsträger der Gemeinde, den Bürgermeister und die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, das Bauvorhaben in Urwies und die dafür bestimmte Änderung des Flächennutzungsplans zu überdenken. Zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern und am besten auch im Einvernehmen mit der Fa. Maier kann es nur bessere Alternativen geben.